Die Geschäftsführer Clemens Grabher und Thomas Schwarz vor der 11er Biogasanlage. Foto: Studio Fasching
11er ist ein führender heimischer Tiefkühl-Kartoffelspezialist mit Produktionssitz in Frastanz in Vorarlberg und rund 360 Beschäftigten. Wie erleben Sie die Corona-Pandemie? Wird in Österreich anders oder mehr zuhause gekocht?
Thomas Schwarz: Durch die Komplettschließung der Gastronomie wurde deutlich mehr zu Hause gegessen, was sich im Anstieg bei der Nachfrage von Tiefkühlprodukten widerspiegelt. Denn der große Vorteil bei Tiefkühlprodukten ist: Sie eignen sich ideal für die Bevorratung zu Hause für einen späteren Verzehr und die Menge kann nach Bedarf portionsweise entnommen werden.
Tiefkühlen ist zudem eine natürliche Art der Haltbarmachung von Produkten, so ist bei 11er der Großteil des Sortiments frei von Konservierungsstoffen – was der Natürlichkeit unserer Produkte zugutekommt und für viele Konsumentinnen und Konsumenten auch ein Kaufargument darstellt. Vorteil der Tiefkühlung in der Gastronomie ist, dass die 11er Kartoffelspezialitäten bei einer kurzfristigen Schließung der Restaurants haltbar sind und später ohne Qualitätsverlust verarbeitet werden können.
Welcher Teil Ihrer Produktpalette entwickelt sich besonders dynamisch?
Schwarz: Als Röstispezialist legen wir unseren Fokus auf unsere 11er Röstispezialitäten in unterschiedlichen Formen und Geschmacksrichtungen. Unser Topseller ist das klassische 11er Knusper Rösti wie hausgemacht. Das goldgelbe Kartoffel-Rösti von 11er schmeckt nicht nur wie hausgemacht, es sieht auch so aus. Aber natürlich produzieren wir in Österreich nebst unseren knusprigen Röstivarianten qualitativ beste Pommes und feinste Kroketten in vielen Sorten und runden unser Tiefkühl-Sortiment mit Gemüse, Teigwaren, Ölen und Fleischprodukten ab. Unsere Hauptkompetenz liegt aber ganz klar bei Tiefkühl-Kartoffelspezialitäten. Da ist 11er qualitativ top, und durch unsere Flexibilität punkten wir bei unseren Kundinnen und Kunden.
Welche Bedeutung hat für Ihr Unternehmen der Export?
Schwarz: Der Exportanteil von 11er liegt aktuell bei 67 Prozent. Hauptabsatzmärkte sind unsere Nachbarländer Italien und Deutschland, wir liefern aber auch in fast alle anderen Länder Europas – was durch die geografische Nähe eine logische Konsequenz ist. Erste Versuche und positive Geschäftsbeziehungen gibt es auch nach Nahost und Asien. Diese Regionen legen großen Wert auf qualitativ hochwertige Produkte und Lebensmittel, die in Österreich hergestellt werden und sind auch bereit, für qualitativ hochstehende Produkte zu bezahlen.
Sie haben mit dem 11er Genuss Bus, der Kartoffelspezialitäten als Streetfood präsentiert, Preise in Österreich und auch international gewonnen. Welche Bedeutung hat diese Aktivität?
Schwarz: Dieses Jahr feiert unser 11er Genuss Bus bereits sein 5-Jahr-Jubiläum, und er hat schon eine ganze Menge erlebt und erreicht: Zahlreiche Streetfood-Festivals, tolle Genuss-Events, Gewinner beim Austrian Street Food Award als „Bester Food Truck Österreichs“ 2019 und im selben Jahr Sieger beim European Street Food Award in Malmö in der Kategorie „Best Vegetarian“. Ganz nach dem Motto „11er auf die Zunge zu bringen“ hatten wir den Foodtruck aus der Taufe gehoben. Denn wir waren uns einig: um sich von der Qualität unserer Kartoffelspezialitäten zu überzeugen und davon begeistert zu sein, führt kein Weg daran vorbei, die 11er Produkte selbst zu probieren.
Welchen Stellenwert hat für Sie Innovation? Wo sehen Sie die größten Potenziale?
Schwarz: 11er ist bekannt für seine tüftlerische und wendige Art. Als relativ kleiner Player im Wettbewerb mit den großen Giganten im Tiefkühl-Kartoffelsektor waren wir schon immer gezwungen, mit Produktneuheiten und Nischenprodukten zu punkten. Das hat uns zu einem der führenden Tiefkühl-Kartoffelspezialitäten-Hersteller Europas gemacht. Worauf sich die Kundinnen und Kunden von 11er verlassen können: eine gleichbleibende hochwertige Produktqualität, Rezepturen und eine Optik wie hausgemacht, regionale Zutaten, einen zuverlässigen Partner und die österreichische Wertschöpfung.
Worauf sich die Kunden von 11er verlassen können: eine gleichbleibende hochwertige Produktqualität, Rezepturen und eine Optik wie hausgemacht, regionale Zutaten, einen zuverlässigen Partner und die österreichische Wertschöpfung.
Thomas Schwarz, Geschäftsführer 11er Nahrungsmittel GmbH
Gerade im Zusammenhang mit Lebensmitteln steht verstärkt das Thema Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Sie haben eine „11er Klimaschutzinitiative“ gestartet. Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie?
Schwarz: Nachhaltigkeit ist schon lange nicht mehr nur ein Trend in der Gesellschaft, sondern viel mehr eine bewusste Lebenseinstellung. Wir bei 11er können mit Stolz sagen, dass unser Unternehmen alle Produkte bereits seit 2015 zu 100 Prozent klimaneutral produziert – vom Acker bis in das Tiefkühlregal des Lebensmittelhandels. Dies gelingt uns durch aktives Handeln und die stetigen Anstrengungen zur Reduktion und Vermeidung unserer CO2-Emissionen. Von 2015 bis 2020 konnten wir den CO2-Ausstoß pro Kilogramm verarbeitete Kartoffel durch gezielte Maßnahmen bereits um 17,4 Prozent senken.
Auch einen Energiekreislauf haben Sie entwickelt. Wie sieht das konkret aus?
Schwarz: Mit der 2017 errichteten Biogasanlage haben wir einen Meilenstein in Richtung Energie-Kreislaufwirtschaft und CO2-Neutralität gesetzt. Sämtliche biogenen Reststoffe aus unserer Produktion wie zum Beispiel Kartoffelschalen werden in der 11er Biogasanlage zu wertvollem Biogas in Erdgasqualität umgewandelt. Die eigene Biogas-Tankstelle am Firmengelände ermöglicht es unserem Familienunternehmen, unsere LKWs für die Kartoffelanlieferung mit diesem Gas zu betanken. So fahren sich die 11er Kartoffeln quasi selbst vom Acker in unsere Produktionsstätte. Auch einige unserer Stapler und Firmenfahrzeuge werden mit Biogas betrieben. Dadurch werden rund 3.300 Tonnen CO2 im Jahr eingespart.
Weitere Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes sind die 100-prozentige Verwendung von Grünstrom, eine Wärmerückgewinnungsanlage sowie eine eigene Photovoltaik-Anlage am Dach des 11er Tiefkühlhauses, mit der wir die durch Sonne gewonnene Energie für die Tiefkühlung unserer Produkte verwenden.
Die eigene Biogas-Tankstelle am Firmengelände ermöglicht es unserem Familienunternehmen, unsere LKWs für die Kartoffelanlieferung mit diesem Gas zu betanken. So fahren sich die 11er Kartoffeln quasi selbst vom Acker in unsere Produktionsstätte.
Thomas Schwarz, Geschäftsführer 11er Nahrungsmittel GmbH
Was ist die 4-Elemente Strategie?
Schwarz: Die 4-Elemente-Strategie ist ein Teil unserer 11er Klimaschutzinitiative, bei der die Vermeidung, Reduktion und der Ausgleich von CO2-Emissionen im Vordergrund steht. Ohne die 4 Elemente – Luft, Wasser, Feuer in Form von Energie und Erde – gäbe es keine Kartoffeln. Deswegen haben wir uns für alle aktuell nicht vermeidbaren CO2-Emissionen für den Ausgleich durch den Ankauf anerkannter CO2-Emissionszertifikate für die 4 Elemente entschieden. So unterstützen wir beispielsweise Windkraftprojekte als erneuerbare Energiequelle in Taiwan, Projekte zur nachhaltigen Stromproduktion durch Wasserkraft in Indien, ein Projekt in China, bei dem durch die Verbreitung von Biogasfermentern und Biogasherden der CO2-Ausstoß verringert wird, sowie ein Waldschutzprojekt in Brasilien.
Welchen Aspekt von Nachhaltigkeit halten Sie persönlich für besonders wichtig?
Schwarz: Bei 11er wurde der Grundstein für eine nachhaltige Ausrichtung bereits in den 1980er-Jahren mit dem Bau der ersten Biogasanlage gelegt. Bei allen Aktivitäten in Richtung Nachhaltigkeit ist uns besonders wichtig, dass diese einen tatsächlichen Nutzen für den Umweltschutz haben und wir kein Greenwashing betreiben. Wenn wir Maßnahmen setzen, tun wir das, weil wir davon überzeugt sind, dass sie längerfristig einen Mehrwert bringen.
Klimaschutz ist ein Thema, zu dem wir aktuell viel beitragen können, und dies steht auch ganz oben auf unserer Liste. Nachhaltigkeit geht aber über Klimaschutz (und Ökologie) hinaus. Auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit und soziale Nachhaltigkeit sind Felder, in denen wir uns immer wieder herausfordern und versuchen, uns als Unternehmen, Arbeitgeber und Lieferant von wertvollen Lebensmitteln zu verbessern.
Die österreichische Politik plant eine rein nationale Herkunftskennzeichnung. Sie betreiben ein „Genuss Lädile“ und sind Träger des AMA-Gütesiegels. Wo kommen Ihre Rohstoffe her und wie stehen Sie zu solchen Vorhaben generell?
Schwarz: Wir bei 11er legen sehr großen Wert auf Regionalität und kurze Transportwege. Mit Sitz in Vorarlberg im Dreiländereck ist es naheliegend, dass wir einen Großteil unseres Hauptrohstoffs Kartoffel neben den Anbaugebieten in Österreich entlang der Donau und der March aus Süddeutschland beziehen. Die Transportwege sind deutlich kürzer und dadurch auch nachhaltiger. Zudem versuchen wir, alle anderen Rohstoffe aus der möglichst näheren Umgebung zu beziehen. Damit stärken wir die heimische Wirtschaft und reduzieren unsere CO2-Emissionen so gut wie möglich.
Die geplante nationale Herkunftskennzeichnung würde ich eher unter das Thema Gold Plating stellen. Dies ist für kleine Hersteller sicher einfacher umzusetzen. In Österreich gibt es aber viele international erfolgreiche Unternehmen, die mit ihren Qualitätsprodukten punkten. Wenn hier Österreich einen nicht EU-weit akkordierten Sonderweg geht, stellt das genau diese Unternehmen vor große Herausforderungen, da Verpackungen oftmals sinnvollerweise international genutzt werden. Es sollte das Ziel sein, die hochqualitativen österreichischen Lebensmittel in Übereinstimmung mit EU-Recht zu vermarkten und kein Gold Plating zu betreiben.
Wie zufrieden sind Sie generell mit dem Standort Österreich?
Schwarz: Im Herzen Europas zeigt sich Österreich als wirtschaftlich starker Wirtschaftsstandort für uns als Lebensmittelproduzent. Gerade österreichische Lebensmittel haben international einen großen Stellenwert und sind gefragt. So gesehen freuen wir uns, in Österreich ansässig zu sein. Ein Thema, wo es aber noch viel Luft nach oben gibt, ist die Entbürokratisierung. Hier könnte die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen nachhaltig gestärkt werden. Unter dem Strich sind wir jedoch glücklich, in Österreich tätig zu sein!
Welche Wünsche haben Sie an die Bundesregierung?
Schwarz: Neben der Entbürokratisierung wäre – in Hinsicht auf den Green Deal der EU und die wichtigen Ziele zur Entkarbonisierung – Planbarkeit wünschenswert. Es sollte nicht nur geplant werden, in welchem Ausmaß die CO2-Emissionen bis wann reduziert werden müssen. Die Unternehmen brauchen auch einen verbindlichen Fahrplan, wie das erreicht werden soll und kann. Und das Ganze muss europaweit abgestimmt sein, damit die Wettbewerbsfähigkeit nicht leidet. Damit können Unternehmen schon frühzeitig Investitionen planen und die richtigen Entscheidungen treffen. Ohne klaren Fahrplan besteht die Gefahr, dass man falsche Entscheidungen trifft und aufs falsche Pferd setzt.
Was ist Ihr Lieblingsessen?
Schwarz: Vorarlberger Käsknöpfle (oder Kässpätzle) – die kann man übrigens statt mit Spätzle auch mit 11er Rösti-Kartoffeln machen – einfach und gut!
Mag. Thomas Schwarz ist seit 2015 Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb bei 11er. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und startete seine berufliche Karriere 1999 bei Rauch Fruchtsäfte, wo er unter anderem den Convenience Vertrieb aufbaute, den Verkauf leitete und internationale Kundenverträge verhandelte. 2014 wechselte er nach 15 Jahren in der Getränkeindustrie zum Vorarlberger Tiefkühl-Kartoffelspezialisten 11er.
Verantwortung
Agrarrohstoffe bilden die Basis für unsere Lebensmittel und sind kostbare Ressourcen. Anhand von Best Practice-Beispielen zeigen wir, wie Unternehmen der Lebensmittelindustrie bei der Beschaffung und Verarbeitung nachhaltig vorgehen.
weiterlesenMenschen
In der Pandemie zeigten sich die Unternehmen der Getränkebranche als krisenfeste Lieferanten. Über neue Herausforderungen sprachen Herbert Bauer und Walter Scherb, Obmann und Stellvertreter des Verbands der Getränkehersteller Österreichs (VGÖ) mit der Zeitschrift REGAL.
weiterlesenMenschen
Rohstoffpreise, Energie und Verpackungen: Das sind die Herausforderungen unserer Zeit. Welche Strategien verfolgt der Nahrungsmittelhersteller Nestlé? Darüber sprach die Zeitschrift DIE ERNÄHRUNG mit Österreich-Geschäftsführer Cédric Boehm.
weiterlesen