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Beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln muss eine Vielzahl an rechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Die Grundlage bildet das Lebensmittelrecht. Seine umfangreichen Regelungen schützen die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher und bewahren sie vor Täuschung. Dazu kommen viele weitere, verbindliche Vorgaben – darunter nationale Rechtsvorschriften zur Umsetzung europäischer Richtlinien oder spezifische Regeln für einzelne Produktgruppen.
Jeder Unternehmer, der innerhalb der EU – so auch in Österreich – Lebensmittel oder Futtermittel in Verkehr bringt, ist dafür verantwortlich, dass auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllt sind. Er hat ihre Einhaltung im Rahmen eines Eigenkontrollsystems laufend zu überprüfen. Das Lebensmittelunternehmen trägt die Verantwortung, dass seine Produkte einwandfrei sind – es hat die sogenannte „Primärverantwortung“ für die Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen.
Kerninhalte dieser unternehmerischen Verantwortung im Lebensmittelrecht sind unter anderem:
Missachtet ein Hersteller seine Sorgfaltspflichten, kann das ernste Folgen haben. Lebensmittel, die den rechtlichen Anforderungen an Hygiene, Rückstände oder Kennzeichnung nicht entsprechen und als „nicht sicher“ eingestuft werden, müssen unverzüglich vom Markt genommen werden. Zudem haftet der Lebensmittelunternehmer zivilrechtlich und strafrechtlich für Schäden, die durch mangelhafte Produkte entstehen.
Weit über 100 Gesetze und Verordnungen regeln allein die Herstellung und Kennzeichnung von Lebensmitteln. Diese sind zum Großteil europaweit einheitlich festgeschrieben und werden vom europäischen Gesetzgeber erlassen. Einige wenige Bestimmungen werden zusätzlich auf nationaler Ebene gefasst. So sind beispielsweise die Vorgaben über Kennzeichnung, Pestizide oder Hygiene bei Lebensmitteln auf EU-Ebene geregelt, die Information über Allergene bei unverpackten Lebensmitteln durften die Mitgliedsstaaten regeln. Hier gibt es eine österreichische Verordnung.
Die rechtlichen Vorgaben können sich zudem ändern, denn sie müssen auf Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse regelmäßig adaptiert und weiterentwickelt werden. Das betrifft zum Beispiel Aromen, Enzyme und Zusatzstoffe: Nicht nur neue, sondern auch bereits zugelassene Stoffe werden von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA laufend bewertet, um so stets dem aktuellen Stand der Wissenschaft gerecht zu werden.
Für die Bewertung von Risiken für die Sicherheit von Lebensmitteln ist auf europäischer Ebene die EFSA (European Food Safety Authority) zuständig. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit leistet wissenschaftliche Beratung und Information zu Risiken im Zusammenhang mit der Lebensmittelkette. Ihre Arbeit deckt alle Themenbereiche mit einem direkten oder indirekten Bezug zur Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit ab – unter anderem Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit sowie Ernährung.
Im vernetzten europäischen Lebensmittelsystem arbeitet die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eng mit den nationalen Lebensmittelsicherheitsbehörden in ganz Europa, nationalen Partnern sowie internationalen Organisationen zusammen. Die EFSA wurde im Jahr 2002 eingerichtet. Ihre Gründung basierte auf dem allgemeinen Lebensmittelrecht – Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Sie wird von der Europäischen Union finanziert und ist unabhängig von den europäischen Legislativ- und Exekutivorganen (Kommission, Rat, Parlament) und den EU-Mitgliedstaaten tätig.
Im Fall neu auftretender Risiken, über die jedoch wissenschaftlich noch Unsicherheit besteht, können von den Behörden präventiv vorläufige Risikomaßnahmen gesetzt werden („Vorsorgeprinzip“). Voraussetzung ist, dass aufgrund einer objektiven wissenschaftlichen Bewertung bereits ein berechtigter Grund zur Besorgnis besteht.
Dieses Prinzip wurde etwa für den Stoff Acrylamid angewandt, der beim Erhitzen stärkehaltiger Lebensmittel wie Pommes Frites auf über 120 Grad Celsius entstehen kann. Vorerst war wissenschaftlich nicht abschließend geklärt, welches Risiko dieser Stoff für die Gesundheit des Menschen bedeutet. Daher wurde durch die Festlegung von Signalwerten vorsorglich ein Minimierungskonzept hinsichtlich der Gehalte von Acrylamid in Lebensmitteln eingerichtet. Erst kürzlich führte die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA eine abschließende Risikobewertung durch. Auf diese Weise konnte durch die Anwendung des Minimierungskonzepts einem gesundheitlichen Risiko bereits frühzeitig gegengesteuert werden.
Um stets sichere und qualitative Lebensmittel zu gewährleisten, kommen drei Prinzipien zur Anwendung, die im europäischen und österreichischen Lebensmittelrecht verankert sind: das Missbrauchsprinzip, das Meldeprinzip und das Verbotsprinzip.
Darüber hinaus müssen zahlreiche weitere rechtliche Vorgaben erfüllt werden. Sogenannte „horizontale Vorschriften“ gelten für sämtliche verschiedene Lebensmittelkategorien – vom Mineralwasser bis zum Bier und vom Zucker bis zur Pizza. Sie regeln allgemeine Themen wie Hygiene oder Kennzeichnung von Lebensmitteln. Mit der 2006 in Kraft getretenen EG-Health-Claims-Verordnung wurden etwa die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel, also die „Werbung mit der Gesundheit“ bei Lebensmitteln europaweit reglementiert.
Sogenannte „vertikale Vorschriften“ gelten nur für bestimmte Produktgruppen – wie Kakaoprodukte und Schokolade, Honig, Konfitüren, Spirituosen oder Fruchtsäfte. Darüber hinaus sind einzelne Lebensmittelbereiche spezifisch geregelt. Dazu zählen zum Beispiel Lebensmittel für spezielle Verbrauchergruppen wie Säuglingsanfangs- und Folgenahrung oder Bio-Produkte.
Sogenannte „Marktorganisationsnormen“ regeln die Organisation von Agrarmärkten nach Sektoren. Dazu zählen etwa Fleisch (Geflügelfleisch, Rindfleisch, Schaf- und Ziegenfleisch sowie Schweinefleisch), Milch und Milcherzeugnisse, Fisch, Olivenöl, Getreide, Obst, Gemüse oder Eier. Sie enthalten spezielle Bestimmungen zu unterschiedlichen Bereichen – von der Tierhaltung bis hin zu spezifischen Kennzeichnungsvorgaben.
Darüber hinaus müssen Lebensmittelhersteller viele weitere Vorgaben erfüllen: Ein Beispiel ist das Verpackungsrecht – von der Beschaffenheit von Verpackungen für den optimalen Schutz der Lebensmittel bis zu deren Entsorgung. Dazu kommen zahlreiche allgemeine Rechtsbereiche – von allgemeinen zivil- und wettbewerbsrechtlichen Regelungen bis hin zu Markenrecht und Werbung.
Eine Rolle spielt auch der Herkunfts- und Spezialitätenschutz. So können Lebensmittelunternehmen in der EU für bestimmte Erzeugnisse – aufgrund ihrer Herkunft oder traditioneller besonderer Eigenschaften – einen Schutz beantragen. Ende 2018 waren 16 österreichische Bezeichnungen – wie die Wachauer Marille oder das Steirische Kürbiskernöl – als Ursprungsbezeichnung, geografische Angabe oder garantiert traditionelle Spezialität geschützt.
Für die Lebensmittelkontrolle sorgt ein System aus Eigenkontrollen der Betriebe sowie amtlichen Überprüfungen. Seit 2005 müssen Lebensmittelunternehmen in der EU dokumentieren, von wem sie ihre Lebensmittel beziehungsweise deren Rohstoffe beziehen und an wen sie ihre Lebensmittel liefern. Durch diese Rückverfolgung können im Fall einer Verunreinigung die Ursachen schnell gefunden und – falls erforderlich – Lebensmittel der gleichen Charge im Handel zurückgerufen werden.
Mit dem europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) können die Behörden der EU-Mitgliedstaaten rasch und koordiniert auf gesundheitliche Gefährdungen durch Lebens- und Futtermittel reagieren und sich über gesetzte Maßnahmen informieren. Zudem sind Norwegen, das Fürstentum Liechtenstein und Island sowie die EFSA an Bord. Geleitet wird das Schnellwarnsystem von der Europäischen Kommission. In Österreich sitzt die RASFF-Kontaktstelle in Salzburg.
Lebensmittel
Lebensmittelrecht ist keine Erfindung der Neuzeit: Bereits vor tausenden Jahren stand der Schutz der Bevölkerung im Zentrum, Verfälscher erwarteten drakonische Strafen. Lesen Sie hier, wie sich die Rechtsvorschriften für Lebensmittel im Lauf der Zeit entwickelt haben.
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