Johannes Pleiner-Duxneuner ist seit 1. April 2024 Geschäftsführer der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

Foto: AGES

Lebensmittel

AGES: So hoch ist die Lebensmittelsicherheit in Österreich

Österreichs Bevölkerung vertraut in die Lebensmittelsicherheit – das zeigt der Risikobarometer der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Geschäftsführer Johannes Pleiner-Duxneuner erklärt, wie es darum bestellt ist und wo es Herausforderungen gibt.

Seit 2017 erhebt die AGES jährlich den Risikobarometer. Worüber sorgen sich die Österreicherinnen und Österreicher am meisten – und wie steht es dabei um die Lebensmittelsicherheit?

Johannes Pleiner-Duxneuner: Die größte Beunruhigung bestand 2023 bei den Themen soziale Ungleichheit, Umweltverschmutzung und Klimawandel. In den vergangenen Jahren ist auch die Sorge um die Energieversorgung, die Ernährungsqualität sowie -versorgung und die Lebensmittelsicherheit angestiegen.

Beim Thema Gesundheit ist die Risikowahrnehmung bei gesundheitlichen Auswirkungen von Chemikalien und Schadstoffen auf den Menschen, allergenen Stoffen in der Umwelt und in Lebensmitteln sowie Antibiotika und Antibiotikaresistenzen am höchsten.

Über den Risikobarometer

Der Risikobarometer ist eine seit 2017 periodisch durchgeführte Erhebung in der österreichischen Bevölkerung zur Risikowahrnehmung: Ziel ist es, die Sorgen der Menschen in Österreich über bestimmte Risiken sowie ihren Informationsstand dazu zu ermitteln. Dabei gibt es jeweils jahresspezifische Schwerpunkte: 2023 lag dieser etwa auf Antibiotikaresistenzen, die Befragung 2022 befasste sich mit den Schwerpunkten Gesundheit, Umwelt, Klimawandel und Ernährung.

Basis für den Risikobarometer ist eine repräsentative Online-Umfrage der österreichischen Bevölkerung. Die soziodemographischen Variablen der Stichprobe nach Geschlecht, Alter und Schulbildung entsprechen der realen Verteilung in Österreich. Somit sind aussagekräftige Interpretationen über Risikowahrnehmung und Informationsstand der Gesamtbevölkerung zulässig.

Gibt es besondere Trends, die sich zuletzt aus dem Risikobarometer ablesen lassen?

Pleiner-Duxneuner: Die Sorge über Epidemien und Tierseuchen erreichte 2020 ihren Höhepunkt, sinkt aber bereits seit 2021 wieder. Wie auch schon in der Vergangenheit zeigt sich, dass Themen, die medial präsent sind, besonders beunruhigen. Gentechnisch veränderte Organismen in Lebensmitteln sind da immer weit vorn: 2022 war etwa Mikroplastik Sorge Nummer eins beim Thema Ernährung.


Wie sicher sind Lebensmittel in Österreich und wie wird die Lebensmittelsicherheit gewährleistet?

Pleiner-Duxneuner: Die Lebensmittelsicherheit in Österreich ist sehr hoch. Wir haben gute Qualitätsstandards und ein dicht geknüpftes Kontrollnetz, das bei den Erzeugerinnen sowie Erzeugern beginnt und bei EU-weiten Überwachungsprogrammen endet. Als die One Heath-Organisation in Österreich spielen dabei auch wir als AGES eine wichtige Rolle, um die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze zu erhalten. Dazu gehört natürlich auch die Lebensmittelsicherheit.

Wir erkennen Probleme oft, bevor sie bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen, wie zum Beispiel Zoonose-Erreger bei Tieren (Anmerkung der Redaktion: Zoonosen bezeichnen Erkrankungen, die von Tieren auf Menschen und umgekehrt vom Menschen auf Tiere übertragbar sind) oder Mykotoxine in pflanzlichen Lebensmitteln (Anmerkung der Redaktion: Mykotoxine ist ein Sammelbegriff für verschiedene Gifte, die von unterschiedlichen Schimmelpilzarten gebildet werden).


Was leistet die AGES hier konkret?

Pleiner-Duxneuner: Der Großteil der amtlichen Lebensmittelproben wird in unseren Labors untersucht. Als Zentrum für lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten spielen wir auch eine wesentliche Rolle bei der Abklärung von Krankheitsausbrüchen bedingt durch den Verzehr eines Lebensmittels. In Zusammenarbeit mit den Lebensmittel- und Gesundheitsbehörden in Österreich sowie in ganz Europa sind wir sehr oft in der Lage, die Quelle des Ausbruchs zu eruieren und somit weitere Krankheitsfälle zu verhindern. Mit unserem Produktwarnungssystem unterstützen wir zusätzlich die Risikokommunikation der Behörden und informieren rund um die Uhr über Produktwarnungen sowie -rückrufe.

Die Lebensmittelsicherheit in Österreich ist sehr hoch. Wir haben gute Qualitätsstandards und ein dicht geknüpftes Kontrollnetz, das bei Erzeugerinnen sowie Erzeugern beginnt und bei EU-weiten Überwachungsprogrammen endet.

Portrait von Johannes Pleiner-Duxneuner, Geschäftsführer der AGES

Johannes Pleiner-Duxneuner, Geschäftsführer der AGES

Um die Lebensmittelsicherheit in Österreich steht es also sehr gut. Welche Rolle spielt das Thema nun in der Wahrnehmung der Bevölkerung und was zeigt der Risikobarometer hierbei?

Pleiner-Duxneuner: Die Besorgnis über die Lebensmittelsicherheit in Österreich ist über die Jahre hinweg gering, auch wenn sie im Vorjahr leicht gestiegen ist.

Wir haben dabei im Risikobarometer 2023 zusätzlich die Risikoeinschätzung von unterschiedlichen Berufsgruppen (Ärztinnen und Ärzte, Tierärztinnen und Tierärzte, Journalistinnen und Journalisten, Lehrerinnen und Lehrer) mit der Einschätzung der österreichischen Bevölkerung sowie der AGES-Expertinnen und Experten verglichen. Dabei sehen wir teilweise große Unterschiede zwischen den befragten Gruppen.


Wo zeigen sich die größten Abweichungen?

Pleiner-Duxneuner: Bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln als potenzielles Risiko für die Gesundheit ist der Unterschied am signifikantesten: Über 70 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer, der Mitarbeitenden in der Gastronomie sowie der Allgemeinbevölkerung nehmen dies als ein wahrscheinliches Risiko wahr. Bei den Ärztinnen und Ärzten (44 Prozent) sowie den Tierärztinnen und Tierärzten (46 Prozent) sehen hier weniger als die Hälfte ein Risiko. Die Risikoeinschätzung von Journalistinnen und Journalisten (35 Prozent) sowie von AGES-Expertinnen und Experten (14 Prozent) ist noch einmal deutlich geringer.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Risikowahrnehmung von neuen Techniken in der Lebensmittelproduktion: Die Besorgnis der allgemeinen Bevölkerung, von Lehrkräften und der Gastronomie ist hier mit 60 Prozent am größten. Bei den Ärztinnen und Ärzten sowie den Tierärztinnen und Tierärzten liegen die Werte bei rund der Hälfte der Befragten. Und von den Journalistinnen und Journalisten (33 Prozent) sowie von AGES-Expertinnen und -Experten (22 Prozent) stuft nur eine Minderheit als wahrscheinlich ein, dass bei neuen Produktionstechniken ein Risiko besteht.


Wie erklären sich solche großen Unterschiede in der Risikowahrnehmung?

Pleiner-Duxneuner: Es liegt in der Natur der Menschen, sich mehr Sorgen über „unnatürliche Risiken“, denen sie sich ausgesetzt fühlen, zu machen als über „natürliche Risiken“. Das heißt: Viele Menschen finden Rückstände wie Mikroplastik, Antibiotika oder Pestizide beunruhigender als allergene Stoffe oder natürliche Pflanzeninhaltsstoffe wie Alkaloide und Cumarin oder Mykotoxine. Auch Substanzen wie Acrylamid, das bei der Zubereitung entsteht oder krankmachende Keime wie Salmonellen oder Listerien werden als weniger gefährlich angenommen als „unnatürliche“ Stoffe.

Es liegt in der Natur der Menschen, sich mehr Sorgen über ‚unnatürliche Risiken‘, denen sie sich ausgesetzt fühlen, zu machen als über ‚natürliche Risiken‘.

Portrait von Johannes Pleiner-Duxneuner, Geschäftsführer der AGES

Johannes Pleiner-Duxneuner, Geschäftsführer der AGES

Was unternimmt die AGES, um gegenzusteuern und gegen Mythen vorzugehen – gerade was Lebensmittelsicherheit betrifft?

Pleiner-Duxneuner: Als AGES ist es uns wichtig, alle Menschen zu erreichen, die in Österreich leben. Wir müssen daher noch mehr darauf achten, den Menschen jene Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie direkt nutzen können. Die Rolle der AGES in der Kommunikation und Information wird weiter zunehmen und wir wollen hier in der nächsten Zeit auch einen Schwerpunkt setzen. Die Information soll leicht zugänglich und verständlich sein.

Unsere Ziele in der Kommunikation über Risiken sind die Erhöhung des Informationsstands, gegebenenfalls eine Änderung der Risikowahrnehmung und eine Initiierung zur Einstellungs- und Verhaltensänderung. Risikoberichte erhöhen zwar die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu ändern – aber viele Menschen ändern ihre Gewohnheiten trotz Besorgnis nicht. Diese Gruppe benötigt verstärkt verständliche und umsetzbare Empfehlungen und Handlungsanleitungen.


Welche Maßnahmen sind dazu geplant?

Pleiner-Duxneuner: Wichtig ist uns, dass die Risikoinformationen an die jeweiligen Informationskanäle angepasst sind und wir Empfehlungen für die unterschiedlichen Zielgruppen zur Verfügung stellen. Wir werden daher unsere Social Media-Aktivitäten weiter ausbauen, um unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zielgruppenorientiert zu erreichen. Unser Ziel dabei ist es, die oft komplexen Zusammenhänge einfach, aber fachlich korrekt darzustellen.


Zum Schluss ein kurzer Ausblick: Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die größten Herausforderungen in puncto Lebensmittelsicherheit in Österreich und Europa?

Pleiner-Duxneuner: Die Anpassung an den Klimawandel ist sicher eine der großen Herausforderungen, schon in der Landwirtschaft: Wir werden „klimafitte“ Pflanzensorten brauchen, die mit den veränderten Umweltbedingungen besser zurechtkommen. Gleichzeitig ändern sich auch die Verbreitungsgebiete von Pflanzenkrankheiten, Schädlingen und Giftpflanzen wie dem Stechapfel. All das hat in weiterer Folge Einfluss auf die Lebensmittelproduktion. Die AGES testet dazu in ihren acht landwirtschaftlichen Versuchsstationen regelmäßig die Anpassungsfähigkeit von Pflanzen in vier repräsentativen Klimazonen Österreichs.

Lebensmittelbedingte Krankheitserreger sind und bleiben große Herausforderungen bei der Produktion sicherer Lebensmittel in Europa und weltweit. Veränderte Marktrealitäten einer globalen Lebensmittelkette sowie der vermehrte internationale und nationale Tierverkehr, Lebensmittelbetrug oder auch der zunehmende Handel von Produkten im Internet erfordern national beziehungsweise europäisch koordinierte Antworten.

Über Johannes Pleiner-Duxneuner

Johannes Pleiner-Duxneuner ist seit 1. April 2024 der fachliche Geschäftsführer der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Er ist außerdem Facharzt für Innere Medizin mit dem Zusatzfach klinische Pharmakologie und fachspezifischen Zusatzausbildungen wie dem Diplom für Clinical Research Management und Ernährungsmedizin. Vor seiner Tätigkeit für die AGES sammelte er jahrelange Berufserfahrung im medizinischen Bereich und in der Privatwirtschaft. Unter anderem war er als Head of Innovation to Business bei der Roche Austria GmbH tätig.

  • Schriftliches Interview mit Johannes Pleiner-Duxneuner, fachlicher Geschäftsführer der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), im April 2024

Wir empfehlen diese Artikel zum Weiterlesen

Essen Sie informiert! Read Email A line styled icon from Orion Icon Library.