Foto: Dieter Hawlan
Welche Leistung erbringt die österreichische Futtermittelindustrie in etwa pro Jahr?
Gerhard Bauernfeind: Der Mischfuttermarkt verzeichnet eine stetige Steigerung der Verkaufsmengen, die sich seit 1995 mehr als verdoppelt haben. Dies gilt sowohl für den Gesamtmarkt als auch für die Garant als Unternehmen. Im Jahr 2021 lag die gesamte Mischfutterproduktion in Österreich bei rund 1,8 Millionen Tonnen, wobei knapp 85 Prozent für das Inland produziert und rund 15 Prozent exportiert wurden. Exporte von Mischfutter gehen meist in die Grenzregionen rund um Österreich, da loses Mischfutter in der Transportdistanz limitiert ist. Ausnahmen bilden hochwertiges Mineralfutter, Fischfutter und Spezialprodukte. Diese komplexen Produkte können auch über weitere Strecken transportiert werden. Garant ist der einzige Fischfutterhersteller in Österreich. Fischfutter ist für uns als Exportartikel sehr wichtig, da nur 7 Prozent des Eigenbedarfs an Fisch über die heimische Produktion abgedeckt werden.
Wo liegt Österreich im internationalen Vergleich und wie entwickelt sich der Markt für industriell hergestellte Mischfuttermittel in Österreich und international?
Bauernfeind: International gesehen ist Österreich kein „Big Player“. In der EU waren in den letzten Jahren eher rückläufige bis stagnierende Verkaufsmengen zu verzeichnen. Sie pendelten sich bei rund 150 Millionen Tonnen ein (EU 27 ohne Großbritannien). Nach Produktionsmengen liegen Deutschland, Spanien und Frankreich mit jeweils über 20 Millionen Tonnen Mischfutterproduktion an der Spitze. Die größten europäischen Einzelunternehmen befinden sich in den Niederlanden.
Aktuelle Schätzungen des europäischen Dachverbands FEFAC (The European Feed Manufacturers‘ Association) prognostizieren für die EU 27 einen Rückgang der Futtermittelproduktion von 5 Millionen Tonnen oder minus 3,5 Prozent im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021. Der Schweinefutteranteil ist überproportional betroffen. Das vermehrte Auftreten der afrikanischen Schweinepest hat einen Teil zu der schwierigen Lage der schweinehaltenden Betriebe beigetragen. Stark gestiegene Kosten bei nur mäßiger Steigerung der erzielbaren Verkaufspreise sind ein weiterer Grund, auch in Österreich. Der weltweite Futtermittelmarkt ist 2021 im Vergleich zu 2020 um circa 1 Prozent gewachsen: von 1.176,8 auf 1.187,7 Millionen Tonnen. Den größten Zuwachs erzielte China mit 5 Prozent und ist daher wieder der weltweit größte Futtermittelproduzent.
Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung ein?
Bauernfeind: Bei der weiteren Entwicklung kommt eine Mischung aus verschiedenen Faktoren zum Tragen. Zunächst die aktuelle Krisensituation auf Grund des Kriegs in der Ukraine. Die Auswirkungen werden in der einen oder anderen Form alle betreffen, deshalb ist in Österreich zumindest vorübergehend mit einer stagnierenden oder leicht rückläufigen Entwicklung zu rechnen. Die hohen Rohstoff- und Energiepreise machen allen Mischfutterproduzenten zu schaffen. Als Folge der Krise sind die Kosten für Betriebsmittel in der Landwirtschaft stark gestiegen und die Futterkosten sind ein nicht vernachlässigbarer Teil davon. Deshalb versuchen die landwirtschaftlichen Betriebe so viel wie möglich einzusparen. Das ist vor allem beim Absatz von Rinderfutter zu spüren.
Abgesehen von den disruptiven Ereignissen der letzten Jahre sehen wir in der Landwirtschaft steigende Anforderungen in rechtlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Die gesetzlichen Anpassungen der letzten Jahre bringen eine geringe Planungssicherheit für Investitionen, wie das Beispiel der Schweinemast zeigt. Vor allem in diesem Bereich geben viele wegen der aktuellen Lage auf. Dies führt in der Folge dann auch zum Mengenrückgang in der Mischfutterproduktion.
Und schließlich ist in der Landwirtschaft der Strukturwandel hin zu größeren Betrieben voll im Gange. Zusammenfassend pflichte ich voll und ganz der Einschätzung der FEFAC-Expertinnen und -Experten bei, dass die steigenden Betriebskosten, die wirtschaftliche Unsicherheit, die steigenden Kosten im Zusammenhang mit umwelt- und tierschutzpolitischen Maßnahmen sowie das Auftreten von Tierseuchen die Haupttreiber in der Futtermittelindustrie für die kommenden Jahre sein werden.
Welche Bedeutung hat Bio in diesem Markt?
Bauernfeind: Österreich ist „Bio-Europameister“ und hat in diesem Bereich weitere ambitionierte Wachstumspläne. Das heißt, in Österreich hat biologisches Mischfutter eine wirkliche Bedeutung. Europaweit gesehen spielt ökologisches Mischfutter aber noch keine große Rolle. Natürlich werden beim Bio-Mischfutter vor allem regionale Rohstoffe eingesetzt. Der Bio-Anteil liegt EU-weit bei 8,5 Prozent. Der Bio-Flächenanteil in Österreichs Landwirtschaft liegt bei 26 Prozent.
Welche Rolle spielen Nebenprodukte aus der Lebensmittelherstellung wie aus Mehl- oder Ölmühlen, Zucker- und Stärkefabriken, Molkereien oder Brauereien?
Bauernfeind: Tierische Veredelung ist das Paradebeispiel für Kreislaufwirtschaft! Die Verwertung von Nebenprodukten aus der Lebensmittelherstellung spielt seit jeher eine große Rolle in der Mischfutterproduktion. Alle diese Rohstoffe, sie können aus der Ölproduktion, der Zucker- und Stärkeindustrie, aus der Müllerei oder von Molkereien oder Brauereien kommen, sind meist für den direkten Verzehr durch Menschen nicht geeignet.
Tierische Veredelung ist das Paradebeispiel für Kreislaufwirtschaft! Die Verwertung von Nebenprodukten aus der Lebensmittelherstellung spielt seit jeher eine große Rolle in der Mischfutterproduktion.
Gerhard Bauernfeind, Geschäftsführer der Garant Tiernahrung GmbH
Welche Bedeutung haben im Vergleich Rohstoffe aus Drittstaaten?
Bauernfeind: Der Rohstoffbedarf in der EU kann – zum jetzigen Zeitpunkt – nicht ohne Importe gedeckt werden. Eiweiß wird in Europa nicht in ausreichenden Mengen produziert und muss daher importiert werden, meist in Form von Soja. Neben der sogenannten europäischen „Eiweißlücke“ fehlt es außerdem noch an Zusatzstoffen wie beispielsweise Aminosäuren, Vitaminen oder Mineralstoffen wie dem Monocalciumphosphat. Da hat ganz Europa eine „große Baustelle“. In den letzten Jahrzehnten wurde die Herstellung vieler dieser Produkte aus Kostengründen nach China verlagert. Erst die Sperrung chinesischer Häfen während der Corona-Pandemie hat sichtbar gemacht, in welcher Abhängigkeit wir uns hier befinden. Für Garant Tiernahrung kann ich sagen, dass rund 70 Prozent aller verwendeten Rohstoffe aus Österreich stammen.
Stichwort Soja: Regenwaldzerstörung versus neue Kulturpflanze und Chance für die Landwirtschaft? Wie sehen Sie das Thema?
Bauernfeind: Auf europäischer und nationaler Ebene werden zahlreiche Initiativen, Forschungsprojekte und Innovationen vorangetrieben, um die Abhängigkeit von importiertem Sojaextraktionsschrot als Rohstoff zu verringern. Erst kürzlich ist ein bilaterales Abkommen zwischen Frankreich und Österreich über eine gemeinsame Eiweißstrategie unterzeichnet worden.
Der heimische Sojabohnenanbau ist in den letzten Jahren signifikant angestiegen und in unseren Mischfutterwerken wird ja auch regionales europäisches Soja verarbeitet. Als Kulturpflanze für die heimische Landwirtschaft ist die Sojabohne absolut begrüßenswert, sie bringt viele Vorteile. Deshalb wird in Österreich der Anbau sehr stark propagiert – mit Erfolg. Im letzten Anbaujahr 2022 ist die Anbaufläche auf knapp 100.000 Hektar angestiegen, um plus 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die österreichische Eiweißstrategie sieht vor, Soja-Importe bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren.
Sojaextraktionsschrot, der in der Mischfutterproduktion verwendet wird, ist meist „nur“ ein Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie, genauer gesagt: der Sojaölproduktion. Als Innovationsführer am heimischen Mischfuttermittelmarkt sind wir darüber hinaus natürlich auch an alternativen Eiweißquellen für die Herstellung von Tierfutter interessiert. Insektenprotein für die Tierernährung sehen wir als zukunftsweisendes Thema und sind dazu schon seit eineinhalb Jahren im Austausch mit einem Start-up. Für den großtechnischen Einsatz ist das Thema noch nicht ausgereift. Die ersten Versuchsproduktionen sind in den nächsten ein bis zwei Jahren zu erwarten.
Insektenprotein für die Tierernährung sehen wir als zukunftsweisendes Thema und sind dazu schon seit eineinhalb Jahren im Austausch mit einem Start-up. Für den großtechnischen Einsatz ist das Thema noch nicht ausgereift. Die ersten Versuchsproduktionen sind in den nächsten ein bis zwei Jahren zu erwarten.
Gerhard Bauernfeind, Geschäftsführer der Garant Tiernahrung GmbH
Tierschützerinnen und Tierschützer kritisieren „industrielles Turbofutter“ und fordern zum Verzicht auf, um Tierwohl und Tiergesundheit zu steigern. Macht das Sinn?
Bauernfeind: Bei dieser Frage wird stark polarisiert. Tierwohl und Tiergesundheit stehen für uns im Mittelpunkt. Mischfutter dient in erster Linie dazu, landwirtschaftliche Nutztiere bedarfsgerecht zu versorgen. Je nach Tierart spielt Grundfutter bei der Bedarfsdeckung an Energie und Nährstoffen eine Rolle. Und das wollen wir auch gar nicht ändern. Bestes Grundfutter ist – am Beispiel der Rinderfütterung – immer die Grundlage einer bedarfsgerechten Fütterung. Für Betriebe gilt es, zuerst die Grundfutterqualität zu kennen und soweit wie möglich zu optimieren.
Ich kann mit gutem Gewissen für Garant Tiernahrung sagen: Unser Außendienstteam schaut in der Beratung immer zuerst auf die Grundfuttersituation. Die Ergebnisse dienen als Basis für die Berechnung der optimalen Fütterungsration direkt am Hof. Ein wichtiger Vorteil von Mischfutter liegt darin, mit laufend kontrollierten Rohstoffen eine gleichbleibend hohe Qualität zu bieten und damit eine konstante Versorgung der Tiere mit wichtigen Inhaltsstoffen sicherzustellen. Aus meiner Sicht ist auch das ein Beitrag zum Tierwohl.
Welchen Anteil hat industriell hergestelltes Mischfuttermittel an der Deckung des Energiebedarfs von Nutztieren in Österreich im Vergleich zu Heu, Silage und Getreide?
Bauernfeind: Wenn man Österreich gesamthaft betrachtet, dann ist etwas mehr als ein Drittel der gesamten Futtermenge durch Mischfutter gedeckt und knappe zwei Drittel sind es durch hofeigenes Getreide. Dieser Wert ist aber mit Vorsicht zu betrachten, weil die Landwirtschaft in Österreich sehr heterogen ist und je nach Betrieb und Region differenziert werden muss.
Spürt die Branche einen Arbeitskräftemangel?
Bauernfeind: Die kurze Antwort lautet: Ja. Es ist schwieriger geworden, Personal zu finden. Soweit ich das beurteilen kann, geht es damit aber nicht nur unserer Branche so. Wenn ich jetzt im Speziellen an Fachkräfte im Bereich Tierernährung beziehungsweise tierische Produktion denke, ist davon auszugehen, dass die Zahl der Studierenden in diesen Bereichen rückläufig ist. Damit wird aber auch der Pool an verfügbaren Arbeitskräften kleiner. Eine Möglichkeit, die wir bei Garant Tiernahrung wieder verstärken wollen, ist die eigene Ausbildung im Betrieb. Daher arbeiten wir gerade an einer Lehrlingsinitiative. Weiters fördern wir Kooperationen mit Landwirtschaftsschulen.
Wo sehen Sie die Zukunft der Mischfuttermittelindustrie?
Bauernfeind: In Österreich befinden wir uns in einem gesättigten und kompetitiven Marktumfeld. Gesunde Konkurrenz ist förderlich, sie wirkt als Antrieb und als Motor für Verbesserungen. Forschung und Innovation haben sicher noch einige „Zuckerl“ für die Mischfutterindustrie parat, Stichwort Insektenprotein. Die Herausforderungen werden aber sicherlich nicht weniger. Heute wird sehr viel über die Reduktion des Fleischkonsums gesprochen. In der Tat nimmt der Pro-Kopf-Verbrauch bei uns seit vielen Jahren kontinuierlich leicht ab. Demgegenüber steht die Weltfleischproduktion, die nach wie vor stetig nach oben geht. Dies zeigt deutlich das Spannungsfeld, in dem wir uns befinden.
Fleisch ist eine hochwertige Eiweißquelle, die noch lange Teil des Speiseplans sein wird. Das heißt für die Mischfutterindustrie, dass sie auch in Zukunft Bedeutung haben wird. Ich kann mir vorstellen, dass bei insgesamt geringeren Mengen der Qualitätsaspekt in der tierischen Produktion noch wichtiger werden wird.
Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Bauernfeind: Definitiv ein goldbraunes Wiener Schnitzel mit Pommes frites und dazu ein grüner Salat, frisch aus dem Garten!
Weitere Informationen zum Unternehmen: garant.co.at
Dr. Gerhard Bauernfeind ist seit 2020 Geschäftsführer der Garant Tiernahrung GmbH, einer Tochter der Raiffeisen Ware Austria (RWA). Der Mikrobiologe startete seine berufliche Karriere als Universitätsassistent. Weitere berufliche Stationen führten ihn zu Milupa, Salzburg Schokolade und Nestlé. 2014 wechselte er zur RWA-Beteiligung Lamb-Weston/Meijer Austria, im September 2019 trat er bei Garant ein. Seit Mai 2022 ist Bauernfeind Obmann des Verbands der Futtermittelindustrie und der Vereinigung der Mischfutterindustrie in Österreich.
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