Foto: Austria Glas Recycling GmbH
Zum 40-jährigen Jubiläum hat sich Austria Glas Recycling nachhaltige Entwicklungsziele gesetzt. Geschäftsführer Harald Hauke erklärt, was das heimische Recyclingsystem für Glasverpackungen erfolgreich macht und was hinter der Austria Glas Agenda 2030 steckt.
Herr Hauke, mit einer Recyclingquote von rund 85 Prozent gilt Österreich europaweit als Musterschüler. Wie ist es gelungen, die Bevölkerung zum Mitmachen zu motivieren?
Wir setzen auf eine rege Öffentlichkeitsarbeit und beginnen dabei schon mit den Kleinsten. Im Rahmen unserer „Bobby Bottle Schultour“ senden wir zum Beispiel drei Pädagogen durchs Land, die mit ihren Zaubertricks Kindern der 3. und 4. Schulstufe Glasrecycling näherbringen. Zudem pflegen wir Kooperationen mit Unis und sind Partner der interuniversitären Sustainability Challenge. Wir haben enge Kontakte zu Städten, Gemeinden sowie Abfallgesellschaften. Und wir initiieren regelmäßig Bewusstseinskampagnen für die Bevölkerung.
Trotzdem: Rund 40.000 Tonnen Altglas landen jährlich im Restmüll. Wo sehen Sie die Knackpunkte?
Generell gilt: Je anonymer der Haushalt, desto weniger wird recycelt. Daher gibt es gerade in den Städten im Vergleich zum Land noch Potenziale. Vor allem Produkte, die in der Küche verwendet werden, landen oft im Restmüll – wie Marmelade- oder Gurkengläser. Übrigens ist es ein Mythos, dass man Glasverpackungen in den Geschirrspüler geben muss, bevor sie fit für den Glascontainer sind. Sie sollten nur entleert sein. Dazu starten wir noch dieses Jahr eine Informationskampagne.
Je anonymer der Haushalt, desto weniger wird recycelt. Daher gibt es gerade in den Städten im Vergleich zum Land noch Potenziale.
Harald Hauke, Geschäftsführer der Austria Glas Recycling GmbH
Nun haben Sie sich mit der Austria Glas Agenda 2030 „Future in Glass“ nachhaltige Entwicklungsziele gesetzt. Was wollen Sie damit erreichen?
Die Austria Glas Recycling ist seit jeher ein Nachhaltigkeitspionier: Wir sind nach der europäischen Umweltnorm und der österreichischen CSR-Norm ONR 192500 zertifiziert. Im Jahr 2014 haben wir ein Grünbuch zur Glassammlung herausgegeben. Nun standen wir vor der Frage: Wo können wir noch einen Schritt weitergehen? Darauf haben wir in einem einjährigen Prozess die Austria Glas Agenda 2030 erarbeitet – inklusive einer Online-Multi-Stakeholder-Befragung. Das Ergebnis sind konkrete Ziele, die sich an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen orientieren.
Sie fokussieren sich auf sechs Bereiche: Bildung, Industrie und Infrastruktur, Städte und Gemeinden, verantwortungsvoller Konsum sowie Klimaschutz und Partnerschaften. Welche Maßnahmen werden Sie hier bis 2030 umsetzen?
Ein Schwerpunkt ist die Digitalisierung: Wir planen, alle Standorte digital zu erfassen und mit Füllstandsensoren auszustatten. Der Glascontainer wird künftig den Sammelpartnern kommunizieren, wann er voll ist. Zudem möchten wir die Umweltbildung an Schulen und Universitäten vorantreiben und das Thema stärker im Lehrplan verankern.
Ein weiterer Fokus liegt auf grüner Logistik. Seit 2012 haben wir die maximale Staubemission bei der Sammlung von Glas um mehr als zwei Drittel reduziert – bei den Kohlenmonoxid-Emissionen ist es mehr als ein Drittel. Diesen Weg gehen wir weiter, indem wir stetig unsere Touren optimieren und auf neue Technologien setzen. Auch Elektro-LKWs haben wir auf dem Radar, noch sind sie aber nicht am Markt erhältlich.
Auf EU-Ebene steht aktuell die Kreislaufwirtschaft im Fokus. Wie beurteilen Sie die jüngsten Bestrebungen in Hinblick auf Ihre Branche?
Das Circular Economy Package bezieht sich in erster Linie auf Verpackungen. Bei Glas sehe ich kein Problem, da wir bereits Sammelquoten erfüllen. Bei Kunststoff stehen wir vor der Frage: Wie können wir die Sammelmenge erhöhen und effizienter recyclen? Ich bin auch Geschäftsführer der ARAplus und dort verfolgen wir das Projekt ARA-Circular-Design. Dabei wird analysiert, wie weit Verpackungen recyclingfähig sind und wie sich die Quote erhöhen lässt. Ein wichtiges Thema, für das wir mit unseren Kunden intensiv zusammenarbeiten.
Ist es wirklich so viel umweltschonender und kostengünstiger, wenn man nur noch Einweg-Getränkeverpackungen hat? Gerade das Recycling von Glas erfordert ja einen hohen Einsatz von Energie und Rohstoffen.
Das ist keine Schwarz-Weiß-Frage, es sind mehrere Punkte zu beachten. Wie oft lässt sich ein Gefäß wiederbefüllen? Gibt es in dem Land ein gutes Recyclingsystem? Und welche Distanzen müssen dafür zurückgelegt werden? Ich denke, sowohl 100 Prozent Einwegflaschen als auch 100 Prozent Mehrwegflaschen wären nicht optimal, weil es auf die Rahmenbedingungen ankommt. Wir unterstützen daher auch die Nachhaltigkeitsagenda der Getränkewirtschaft – mit dem Ziel, den Mehrweganteil aufrecht zu erhalten.
Im EU-Vergleich liegt Österreich bei Umweltsteuern unter dem Durchschnitt. Wäre auch ein stärkerer staatlicher Eingriff denkbar, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern?
In Österreich haben wir eines der besten Glasrecyclingsysteme europaweit, weil wir immer den Dialog geführt haben – sowohl mit dem Gesetzgeber als auch mit Kommunen und Verbänden. Denn: Eine Institution kann nicht allein entscheiden. Ich denke daher, es ist ein nachhaltiges Modell, wenn wir uns weiterhin alle zusammensetzen und gemeinsam an Lösungen arbeiten.
Motivierte Bürgerinnen und Bürger sind die Basis für unseren Erfolg. Das Bewusstsein für den Wert von Recycling aufrechtzuerhalten wird auch in Zukunft unsere Hauptaufgabe sein.
Harald Hauke, Geschäftsführer der Austria Glas Recycling GmbH
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Welche Herausforderungen erwarten Sie für das österreichische Glasrecyclingsystem von morgen?
Aktuell läuft es sehr gut, aber was nicht unterschätzt werden darf: Man muss wirklich dahinter sein, damit die Leute sammeln. Motivierte Bürgerinnen und Bürger sind die Basis für unseren Erfolg. Heute haben wir in Österreich 1,7 Millionen Sammelcontainer für alle Verpackungsmaterialien – für Konsumentinnen und Konsumenten ist es sehr einfach, den Müll zu trennen. Doch wenn sie den Sinn dahinter nicht mehr erkennen, dann haben wir ein Problem. Das Bewusstsein für den Wert von Recycling aufrechtzuerhalten wird auch in Zukunft unsere Hauptaufgabe sein.“
Mehr zum Thema erfahren Sie hier: Glasrecycling in Österreich.
Dr. Harald Hauke ist Geschäftsführer von Austria Glas Recycling (AGR) und ARAplus, zwei Unternehmen der Altstoff Recycling Austria (ARA). Hauke studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien und verfügt über langjährige Erfahrung in der Lebensmittel- und Getränkebranche.
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