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Vor dem Verzehr kommen Lebensmittel mit Gegenständen aus verschiedensten Materialien in Berührung – den Lebensmittelkontaktmaterialien. Dazu gehört auch die Verpackung. Welche Regelungen gelten für solche Materialien? Und wie sicher sind sie? Johanna Foisner, FCM-Gutachterin für die Lebensmittelversuchsanstalt (LVA), klärt auf.
Frau Foisner, wie wird die Sicherheit von Lebensmittelverpackungen in Österreich gewährleistet und wer ist dafür zuständig?
Johanna Foisner: Wie für alle anderen Lebensmittelkontaktmaterialien gelten auch für die Verpackung EU-weite Regelungen. Für deren Vollzug ist die jeweilige Lebensmittelaufsicht der Bundesländer, und im Weiteren die nationale Behörde – in Österreich das Gesundheitsministerium – zuständig. Die amtliche Prüftätigkeit ist in der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) angesiedelt. Seit 2010 haben wir in Österreich eigens dazu ausgebildete Kontrollorgane. Darüber hinaus lassen die Unternehmen selbst Materialien von unabhängigen Institutionen überprüfen – zum Beispiel der Lebensmittelversuchsanstalt (LVA) und dem Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI). Was die Überprüfung von Lebensmittelkontaktmaterialien betrifft, ist Österreich also sehr gut aufgestellt.
Was besagt die sogenannte gute Herstellungspraxis?
Foisner: Die gute Herstellungspraxis ist das A und O für die Sicherheit von Lebensmittelverpackungen. Sie ist in der Rahmenverordnung (EG) Nr. 1935/2004 festgelegt. Demnach müssen Lebensmittelkontaktmaterialien so hergestellt werden, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch weder der Gesundheit schaden, noch die Zusammensetzung des Lebensmittels verändern oder dieses organoleptisch – also in Bezug auf Faktoren wie Aussehen, Geschmack oder Farbe – beeinflussen.
Lebensmittelkontaktmaterialien müssen so hergestellt werden, dass sie weder der Gesundheit schaden, noch die Zusammensetzung des Lebensmittels verändern oder dieses organoleptisch – also in Bezug auf Faktoren wie Aussehen, Geschmack oder Farbe – beeinflussen.
Johanna Foisner, Expertin für Lebensmittelkontaktmaterialien
Welche Rolle spielt dabei die sogenannte Konformitätsarbeit?
Foisner: Bei der Konformitätsarbeit geht es darum, dass entlang der gesamten Vermarkungskette wichtige Informationen weitergegeben werden – also vom Rohstofflieferanten für die Verpackung bis zum Hersteller des fertigen Produkts. Die Hauptverantwortung für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen für das gesamte Produkt liegt letztlich beim Lebensmittelunternehmer. Wichtig ist aber, dass sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst sind – und das auf jeder einzelnen Vorstufe bis hin zur fertigen Verpackung. Hier hat sich in Österreich in den letzten Jahren einiges getan, aber das ist de facto noch sehr ausbaufähig.
Was passiert denn nun, wenn diese Regelungen nicht eingehalten werden?
Foisner: Das wird stark geahndet, doch leider erwischt es meist nur die Letzten in der Vermarktungskette, also die Lebensmittelunternehmer oder die Handelsketten. Die Erstimporteure von Verpackungsmaterial selbst werden kaum oder gar nicht kontrolliert. Dabei haben sie dieselbe Verantwortung wie die Hersteller.
Derzeit werden vielfach nachhaltigere Verpackungsalternativen für Lebensmittel eingefordert. Wie stehen Sie als FCM-Expertin dazu?
Foisner: Natürlich bin ich für Umweltschutz. Als Gutachterin nach dem Lebensmittelrecht rate ich bei alternativen Materialien jedoch zu Vorsicht. Es wird zwar fleißig auf diesem Gebiet geforscht, man weiß jedoch noch viel zu wenig. Betrachtet man die allgemeinen Anforderungen an Lebensmittelkontaktmaterialien, so sind manche Alternativen derzeit eigentlich nicht verkehrsfähig. Eine Anforderung ist ja zum Beispiel, dass das Aussehen oder der Geschmack des Lebensmittels durch das Material nicht beeinflusst werden darf. Streng genommen erfüllen das zum Beispiel Wachstücher, die zum Frischhalten verwendet werden, nicht.
Natürlich gilt es hier auch je nach Material zu unterscheiden. Alle wollen grün sein und grüne Verpackungsmaterialien herstellen, was auch gut ist. Aber bei dieser Entwicklung stehen wir erst ganz am Anfang.
Alle wollen grün sein und grüne Verpackungsmaterialien herstellen, was auch gut ist. Aber bei dieser Entwicklung stehen wir erst ganz am Anfang.
Johanna Foisner, Expertin für Lebensmittelkontaktmaterialien
Und wie sieht es grundsätzlich bei biologisch abbaubaren Materialien aus?
Foisner: Auch diese Entwicklung bewerte ich prinzipiell positiv. Dennoch würde ich nicht dazu raten, bioabbaubare Verpackungen auf den Komposthaufen zu werfen. Denn auch hier dauert das Zersetzen mehrere Jahre. Die Kompostanlagenbetreiber sind nicht ohne Grund dagegen: Denn sie erzeugen Erde für Gärtnereien und andere Betriebe und diese muss ja bestimmten Anforderungen entsprechen.
Und wie stehen Sie zur Verwendung von Recyclaten bei Lebensmittelverpackungen?
Foisner: PET ist meiner Meinung nach ein gutes Beispiel: Hier sind die Recyclingtechnologien bereits zu 100 Prozent sicher. Aber man muss sich immer auch ansehen, wofür das Recyclat verwendet werden soll. Nicht alle recyclierten Materialien sind für jedes Lebensmittel geeignet. Hier müssen klare Formalismen eingehalten werden.
Gibt es auch Grenzen für den Einsatz neuer Materialien?
Foisner: Sicher. Ein grünes Material ist schön und gut, aber es kann ein Lebensmittel auch beeinflussen. Ein Beispiel sind Take-away-Becher aus Bambus. Durch das Hineinmischen natürlicher Stoffe als Füllmaterial wird die Struktur des Kunststoffs zerstört. Befüllt man einen solchen Becher mit heißem Kaffee, so kann Melamin auf das Getränk übergehen. Außerdem zersetzen sich Kunststoffe mit natürlichem Füllmaterial nicht in der Umwelt.
Bei Lebensmittelverpackungen müssen wir generell ein bisschen weiterdenken: Aus welchem Material ist die Verpackung und wofür wird sie eingesetzt? Ist sie nur als Verkaufsverpackung geeignet oder lässt sie sich auch problemlos erhitzen? Bei den meisten neuen Materialien ist derzeit noch keine Schutzatmosphäre möglich und auch die Barrieren alternativer Materialien hinsichtlich Sauerstoff oder Wasserdampf sind wesentlich schlechter.
Derzeit erleben Mehrwegflaschen für Getränke einen Aufwind. Mehrere Lebensmittelunternehmen haben kürzlich Milch-Mehrwegflaschen eingeführt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Foisner: Aus meiner Sicht spricht nichts gegen Mehrwegprodukte – Hauptsache, die Hygiene wird eingehalten und das Material verändert sich nicht so, dass es nicht mehr für das Lebensmittel geeignet ist. Auf diesem Gebiet hat sich ja in den letzten 30 Jahren einiges getan. Früher gab es oft Probleme bei Mehrwegflaschen, wie zum Beispiel Rückstände des Reinigungsmittels in der Flasche. Damals wie heute ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass Glasflaschen schwer sind und leicht splittern.
Bei Lebensmitteln ist es ja so, dass von den gezogenen amtlichen Proben nur ein minimaler Anteil nicht sicher ist. Wie sieht das bei Verpackungen aus?
Foisner: Dass etwas wirklich gesundheitsschädlich ist, kommt bei Lebensmittelkontaktmaterialien sehr selten vor. Hierbei handelt es sich um einen Gerichtsstraftatbestand. Alle anderen Fälle sind Verwaltungsstraftatbestände – sie machen etwa 95 Prozent der Beanstandungen aus. Man muss abwägen: Ist der Grenzwert doppelt oder gar fünfmal überschritten? Um welche Stoffe handelt es sich bei der Grenzwertüberschreitung? Ein Gesamtmigrationsgrenzwert sagt wenig über die gesundheitsrelevanten Auswirkungen beim Menschen aus. Die überwiegende Zahl aller Lebensmittelkontaktmaterialien – und damit auch der Verpackungen – am Markt ist sicher.
Die überwiegende Zahl aller Lebensmittelkontaktmaterialien – und damit auch der Verpackungen – am Markt ist sicher.
Johanna Foisner, Expertin für Lebensmittelkontaktmaterialien
Zum Thema Migration: In letzter Zeit wird medial immer wieder über Mineralölrückstände (MOSH/MOAH) und Mikroplastik in Lebensmitteln berichtet. Wie stehen Sie dazu?
Foisner: Meiner Meinung nach sind das Themen, die medial herausgehoben wurden. Mikroplastik findet man sogar im Stuhl der Menschen. Das heißt: Wenn es ausgeschieden wird, ohne vom Körper aufgenommen zu werden, hat es keine große Relevanz hinsichtlich der Gesundheit. Bei der Mineralöl-Diskussion ist es ähnlich. Hier wird seit Jahren geforscht und derzeit lässt sich sagen: MOSH/MOAH stellt aus aktueller Sicht kein akutes Gesundheitsrisiko dar. Trotzdem sollte man die Migration dieser Stoffe ins Lebensmittel verhindern, werden sie doch auch aus anderen Quellen aufgenommen.
Gibt es abschließend noch eine Botschaft, die Sie unseren Lesern und Leserinnen mitgeben wollen?
Foisner: In der gesamten EU ist in den letzten 25 Jahren viel vorangegangen, wenn es um Lebensmittelkontaktmaterialien geht. Bei den Diskussionen, die wir führen, geht es um die Bewertung des Risikos bei lebenslanger Aufnahme dieser Stoffe. Wir diskutieren hier wirklich auf sehr hohem Niveau – und das ist gut so. In Österreich sind wir sehr sicher unterwegs.
Weitere Informationen zum Unternehmen: lva.at
DI Johanna Foisner ist seit September 2015 als FCM-Expertin für die Lebensmittelversuchsanstalt (LVA) tätig. Seit März 2020 führt sie ihr eigenes Unternehmen Foisner4FCM. Zuvor arbeitete Foisner über 30 Jahre lang für die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sowie deren Vorgängerinstitutionen. Johanna Foisner ist Mitglied der Codex-Unterkommission Gebrauchsgegenstände für den Codex Alimentarius Austriacus.
Menschen
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